Auf dem Rennrad über die Alpen – Vom Bodensee nach Bassano
Vier Radler – Maren Recken, Uli Tschätsch, Christian und David Schmitt –, ein Begleitfahrzeug mit einem perfekt eingespielten Serviceteam – Brigitte Fauser und Marion Tschätsch. Was bereits in der Vergangenheit einige Radler vorgemacht haben, haben einige Mitglieder des Partnerschaftskomitees im Sommer 2019 wiederholt: Mit dem Rennrad einmal über die Alpen in die italienische Partnerstadt.
Vier Tage haben wir eingeplant, um von Konstanz am Bodensee nach Bassano del Grappa im italienischen Venezien zu radeln. Rund 500 Kilometer, knapp 5.000 Höhenmeter auf dem Rennrad einmal über die Alpen. Für den Start direkt ab Mühlacker fehlt leider die Zeit.
Die Etappen sind bereits vor dem Start festgelegt, die Hotelzimmer für die Übernachtungen gebucht, ein Begleitfahrzeug fährt mit, sollte es Konditionsprobleme oder Pannen geben. Glücklicherweise brauchen wir weder für den einen noch für den anderen Fall Hilfe. Dafür erweist sich das Begleitfahrzeug an den vordefinierten Treffpunkten als wahrer Luxus, um Trinkflaschen aufzufüllen, Bananen und Fitnessriegel zu bunkern oder um nach einem schweißtreibenden Anstieg auf der Passhöhe das verschwitze Trikot gegen ein frisches zu tauschen.
Von Konstanz aus radeln wir am See entlang, via Schweiz über Romanshorn, Arbon und Sankt Margarethen nach Österreich. Der See liegt unter einer leichten Dunstglocke und obwohl wir auf der Straße fahren, können wir die Aussicht genießen. Schweizer Autofahrer sind extrem rücksichtsvoll. Sogar die LKWs fahren geduldig hinter unserer Gruppe her, bis sie gefahrlos überholen können.
Einmal Regen muss offensichtlich sein, bei der ersten kurzen Rast nach rund 70 Kilometern reicht es gerade noch die Neoprenüberzieher über die Radschuhe zu pfriemeln und die Regenjacke überzuwerfen, bevor ein heftiger Guss für eine kurzzeitig verlangsamte Fahrt sorgt. Von unten spritzt es nass, von oben kübelt es aus Eimern. „Warum hat noch keiner die Radbrille mit Scheibenwischer erfunden?“, überlege ich und wische mir zum wiederholten Mal die Tropfen von der Brille. Auf Nebenstraßen und leider teilweise auch auf der relativ stark befahrenen B190 geht es weiter nach Bludenz, Sankt Anton und schließlich in einem moderaten Anstieg zum ersten Etappenziel Gaschurn. Der Regen hatte zu Glück nur ein kurzes Intermezzo gegeben und wir kommen trocken an.
Mit dem Rennrad auf der Silvretta Hochalpenstraße
Das in 979 Metern Höhe gelegene Gaschurn, am Fuße der Silvretta Hochalpenstraße, erweist sich am zweiten Tag als optimale Ausgangsbasis, um den Aufstieg bis zur Passhöhe in Angriff zu nehmen. Knappe 10 Kilometer in leichter Bergauffahrt zum moderaten Einrollen, dann wird der Anstieg steiler und die Wolken dichter. Fast wie Nebel. Das Rücklicht am Rennrad gibt etwas Sicherheit. Und das definitiv nicht ausflugfreundliche Wetter hat den Vorteil, dass wir relativ alleine unterwegs sind. Da ist es nicht weiter schlimm, dass keiner ein Frontlicht dabei hat.
Die Steigung liegt teilweise im zweistelligen Bereich und lerne die Serpentinen bergauf zu lieben: Im Scheitel sind sie herrlich flach und bieten zwei, drei Pedaltritte lang fast Erholungswert. Auf der Passhöhe reißen die Wolken gerade rechtzeitig zum Erinnerungsfoto an der Staumauer auf. Dann haben wir eine herrlich lange Abfahrt vor uns, auf der man die Räder so richtig laufen lassen kann. Doch ohne Fleiß kein Preis, bevor wir das zweite Etappenziel in Nauders erreichen, müssen wir noch einmal rund 1000 Höhenmeter bewältigen. Der Weg führt kurzzeitig zurück in die Schweiz und bei Martina in einen kurvenreichen Anstieg zur Norbertshöhe, bevor wir nach einer kurzen Abfahrt endgültig nach Nauders rollen. Tag zwei geschafft.
Auch Tag drei unseres Alpencross beginnt mit einem leichten Anstieg, hinauf zum Reschensee. Vor dem berühmten Kirchturm im See folgt das obligatorische Erinnerungsfoto. Dann entscheiden wir uns bis nach dem Haidersee für die relativ befahrene Straße, weil der Radweg eine nicht fürs Rennrad geeignete Schotterpassage enthält. „Was waren die schweizer Autofahrer doch rücksichtsvoll“, denke ich, während uns ein Auto mit Wohnwagen immer wieder anhupt und anschließend beim Überholen schneidet. Wir genießen die Abfahrt trotzdem und zweigen bei erster Gelegenheit auf den Etschtalradweg ab. Und der ist wirklich schön. Mit Gefällstrecken, die teilweise im zweistelligen Bereich liegen folgt er dem gurgelnden Flusslauf ins Tal. Wo das Gefälle zu steil für die Geradeausfahrt ist, führt der Radweg in Serpentinen den Berg hinunter. Eine Minipassstraße nur für Radler, ganz ohne Autos. Das Radlerleben könnte so schön sein, doch unser Tourenplaner scheint es nicht allzu gut mit uns gemeint zu haben. Bevor wir unser drittes Übernachtungsquartier beziehen können, müssen wir noch einen Anstieg nach Eppan (St. Michael) bewältigen. Doch der hat sich gelohnt, das Örtchen mit seinen gepflasterten Straßen besticht mit alpenländischem Charme und zufällig findet an diesem Abend im Stadtzentrum ein Fest statt.
Das Rennrad hat Pause: Abends ein Fest in Eppan
Obwohl wir jeden Tag zwischen 120 und 130 Kilometer im Sattel sitzen, vergeht die Zeit viel zu schnell und mit der Etappe von Eppan nach Bassano del Grappa sind wir bereits am letzten Tag unseres Alpencross angekommen. Was uns besonders freut: Bereits am Vorabend ist Ex-Sindaco Gianpaolo Bizzotto zu unserer Gruppe gestoßen. Gemeinsam mit dem Freund und ehemaligen Bürgermeister unserer italienischen Partnerstadt nehmen wir die letzte Etappe, ganz im Sinne der Städtepartnerschaft, als deutsch-italienisches Team in Angriff. Richtung Kalterer See fahren wir zunächst ein Stück auf der Straße und dann wieder auf den Etschtalradweg. Weil es ab jetzt bis Bassano fast nur noch bergab gehen würde, schieben wir noch einen kleinen Aufstieg und ein kleines Schmankerl ein. Ein Besuch auf dem Weingut von Francesco Moser, der in den 1970er und 1980er Jahren einer der erfolgreichsten italienischen Radrennfahrer war. Ein winziger Testschluck Wein ist trotz Radfahrens drin, ansonsten bewundern wir die zahlreichen im Weingut ausgestellten Trophäen und ehemalige Fahrräder Mosers. „Ob wir mit einem schweren Stahlrahmen, mit Unterrohrschaltung und Körben statt Klickies an den Pedalen den Alpencross auch so genossen hätten?“, fragen wir uns beim Anblick der ausgestellten Räder. Und beschließen angesichts unserer Hightech Räder: „Das waren noch wahre Helden“.
Bevor es auf dem Brentaradweg, einem gut ausgebauten und top gepflegten Radweg, durch das Valsugana bis nach Bassano del Grappa geht, liegt zwischen Trient und dem Lago di Caldonazzo ein Straßenstück auf der SS47, das nicht mit den Rädern befahren werden darf. Hier scheiden sich die Geister: auf Nebenstraßen, mit einigen Höhenmetern einen Umweg von rund 20 Kilometern fahren oder einen kurzen Transfer im Begleitfahrzeug in Anspruch nehmen. Wir entscheiden uns für letzteres, weil die geschätzte Tagesetappe bis Bassano ohnehin schon bei über 130 Kilometern liegt und wir dort bereits zum Aperitif auf der Ponte degli Alpini verabredet sind. Aber nach dem Alpencross ist ja bekanntlich vor dem Alpencross. Und ich habe bereits beschlossen: Beim nächsten Mal wird ab Mühlacker gestartet und auf den kurzen Autotransfer wird auch verzichtet.
(Text: Maren Recken, Fotos: privat)